Der mittelalterliche Brunnen von der Fischerinsel
Berlins geschäftiges Zentrum birgt viele Geheimnisse unter seiner modernen Fassade. Im Sommer 2021 wurde bei Ausgrabungen auf der Fischerinsel, mitten im Herzen der Stadt, ein bemerkenswerter Fund gemacht: ein außergewöhnlich gut erhaltener mittelalterlicher Holzbrunnen. Diese Entdeckung bietet einen einzigartigen Einblick in die frühen Tage von Berlin und Cölln, die bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts zurückreichen.
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Der Brunnen wurde im Hofbereich eines wohlhabenden Bürgerhauses entdeckt. Was diesen Brunnen besonders macht, ist seine Bauweise: Anders als die typischen Feldsteinbrunnen jener Zeit wurde dieser mit sorgfältig bearbeiteten und horizontal ineinander verzahnten Holzbohlen errichtet. Diese akribische Zimmermannsarbeit ist in Berlin bisher einzigartig. Die schiere Größe des dazugehörigen Gebäudes von 10 x 20 Metern lässt vermuten, dass es sich im Besitz eines recht wohlhabenden Privathaushaltes befand.
Eine glückliche Erhaltung
Bemerkenswerterweise sind die Holzbohlen des Brunnens außerordentlich gut erhalten geblieben. Dies ist dem hohen Grundwasserspiegel in diesem Gebiet zu verdanken, der das organische Material dauerhaft wassergesättigt hielt und so den Verfall verhinderte. Wenn archäologische Holzobjekte geborgen werden, ist es entscheidend, ein Austrocknen zu verhindern.


Die Kunst der Holzrestaurierung
Um die Langlebigkeit solch empfindlicher Funde zu gewährleisten, ist ein spezialisiertes und langwieriges Konservierungsverfahren erforderlich. Die Bohlen des Brunnens werden aktuell vom Landesamt für Archäologie Sachsen restauriert. Das sächsische Landesamt hat sich zu einem Kompetenzzentrum für die Restaurierung von Holz entwickelt, dank zahlreicher bedeutender Funde aus Braunkohletagebauen und mittelalterlichen Silberbergwerken. Ihre Expertise hat Objekte von 7.000 Jahre alten jungsteinzeitlichen Brunnenkästen bis zu einer über vier Tonnen schweren, acht Meter langen Eichen-Antriebswelle aus der Zeit um 1500 bewahrt.
Der Restaurierungsprozess beinhaltet das sehr lange Einlegen der Holzfunde in ein mit einem wasserlöslichen Kunststoff (PEG 2000) versehenes Wasserbad. Der Kunststoff dringt in das Holz ein und stabilisiert es während der anschließenden langsamen Trocknung. Liane Albrecht, Holzrestauratorin aus Dresden, schätzt, dass die Tränkung der 16 Wandbretter, vier Eckpfosten, vier Querstreben sowie weiterer Konstruktionsteile und die anschließende Gefriertrocknung des Berliner Brunnens etwa 20 Monate in Anspruch nehmen wird.
„Durch seine besondere Konstruktionsweise und die Datierung der Hölzer in den Beginn des 13. Jahrhunderts ist der Brunnen ein Zeugnis für die erfolgreiche Gründungsphase Berlins“
Virtuelle Rekonstruktion und zukünftige Ausstellung
Noch vor der physischen Restaurierung werden alle Brunnenhölzer in 3D gescannt. Dies ermöglicht bereits vorher eine virtuelle Rekonstruktion des Brunnens am Computer.
Nach der zweijährigen Restaurierung im LfA Sachsen wird der Brunnen von der Fischerinsel im PETRI Berlin unweit des originalen Fundortes ausgestellt.
Prof. Dr. Matthias Wemhoff, Landesarchäologe von Berlin, betont die Bedeutung des Brunnens: „Durch seine besondere Konstruktionsweise und die Datierung der Hölzer in den Beginn des 13. Jahrhunderts ist der Brunnen ein Zeugnis für die erfolgreiche Gründungsphase Berlins, in der Kaufleute und Handwerker aus vielen Regionen nach Berlin gezogen sind und hier ein funktionierendes städtisches Gemeinwesen neu aufgebaut haben. Daher freut es mich insbesondere, dass dieses einmalige Stück Berliner Geschichte nun in länderübergreifender Amtshilfe von den Kolleginnen und Kollegen aus dem Landesamt für Archäologie Sachsen restauriert werden kann und zudem dreidimensional erfasst wird, um es den künftigen Besucherinnen und Besuchern des Archäologischen Hauses am Petriplatz vor Ort und im Web zu präsentieren.“
Dieser bemerkenswerte Fund erweckt die frühe Geschichte Berlins wirklich zum Leben und zeigt die Handwerkskunst und den Wohlstand seiner Gründungszeit. Wir freuen uns sehr auf den Tag, an dem dieses einzigartige Stück Berliner Geschichte öffentlich ausgestellt wird!